Anticholinerge Effekte bei ADHS
Anticholinerge Effekte sind eine häufige Nebenwirkung von Medikamenten, die den Noradrenalinspiegel anheben (bei ADHS vor allem Strattera/Atomoxetin, Milnacipran, Venlafaxin oder Elontril/Bupropion/Wellbutrin). Die häufigsten Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, Schwitzen, eine gerötete und trockene Haut und ein erhöhter Blutdruck. Daher sind diese Medikamente nach Stimulanzien eher Behandlungsoptionen zweiter Wahl oder können im Rahmen einer pharmakotherapeutischen Gesamtstrategie zur Augmentation (Wirkverstärkung) in niedrigen Dosen zusätzlich gegeben werden. Die Häufigkeit und Intensität von Nebenwirkungen ist abhängig von der Dosis. Anticholinerge Medikamente sollten sehr langsam eindosiert werden, da es ansonsten zu Krämpfen kommen kann und müssen über einen längeren Zeitraum langsam ausgeschlichen werden.
Anzeichen für ADHS
Typische Anzeichen für ADHS sind eine erhöhte Ablenkbarkeit und Vergesslichkeit. Innere und äußere Unruhe mit der Unfähigkeit zu entspannen, Stimmungsschwankungen zwischen Phasen deutlich gehobener Stimmung und depressiven Einbrüchen, Impulsivität mit unüberlegten Entscheidungen, übermäßigem Geld ausgeben, anderen ins Wort fallen und nicht warten können, gepaart mit einer hohen Irritierbarkeit und Grundgenervtheit. Hinzu kommt in den meisten Fällen Desorganisation (zu viele Dinge gleichzeitig planen, schlechtes Zeitgefühl).
Beziehung und ADHS
Grundsätzlich gibt es keine Unterschiede in der Beziehungsgestaltung, die für alle Menschen mit ADHS gelten. Dennoch liegt der Leidensdruck der Betroffenen in Paarbeziehungen eher in der verminderten Konzentration und der Leidensdruck der Partner eher in den Folgen des nicht zur Ruhe Kommens oder ggf. der aggressiv-impulsiven Ausbrüche. Zur langfristigen Vermeidung von Konflikten ist es hilfreich auch Partner mit in eine Psychotherapie oder ein Coaching einzubeziehen.
Sowohl für Betroffene als auch für Partner*innen gilt es zu unterscheiden, welche Erlebens- und Verhaltensweisen durch ADHS erklärbar sind und welche nicht. Ziel für Betroffene sollte es sein, die ADHS-Symptomatik zu kontrollieren, anstatt von ihr kontrolliert zu werden.
Oftmals kommt es nach einer Diagnose und dem Beginn einer Therapie zu Krisen in der Paarbeziehung. Das liegt an dem Umstand, dass Partner oft über Jahre hinweg zurückgesteckt haben. Wenn Betroffene nun Hilfe erhalten oder dank einer Medikation zur Ruhe kommen und Dinge umsetzen können, entlädt sich oftmals der jahrelang aufgestaute Zorn und Frust.
Wenn es beiden aber gelingt, die als normale Reaktion auf die Veränderung zu verstehen, kann eine Paarbeziehung eine neue, bessere Qualität erreichen.
Borderline und ADHS
Borderline ist die häufigste Fehldiagnose bei ADHS. Das liegt daran, dass beide Störungsbilder im Erscheinungsbild ähnlich sind. In beiden Fällen liegen Impulsivität, Stimmungsschwankungen, oftmals Risikoverhalten und Suchterkrankungen vor.
Die Unterschiede sind: Borderliner haben Angst verlassen zu werden und wechseln zwischen anklammerndem und verfolgendem Verhalten. ADHSler sind in der Beziehung stabil. Borderliner suchen riskante Situationen auf, um sich selber wieder zu spüren und die massive Anspannung und innere Leere zu durchbrechen. ADHSler machen das gleiche aber, weil es Spaß macht und Dopamin ausschüttet. Dies führt zu Ausgeglichenheit.
Borderliner sind in der Regel nur dann impulsiv, wenn sie wütend sind. ADHSler sind durchgehend impulsiv. Borderliner können sehr misstrauisch und argwöhnisch sein und infolgedessen anderen das Leben zur Hölle machen. ADHSler können genauso wütend werden. Der Ärger hat aber immer einen Anlass und dauert sehr kurz.
Borderliner konsumieren, um nichts mehr spüren zu müssen. ADHSler machen häufiger Microdosing mit Cannabis oder Alkohol, um die Gedanken zu sortieren und im Alltag zu funktionieren.
Natürlich gibt es wie bei jeder Sucht auch ADHSler, die sich „ausschalten wollen“. Ferner kann man natürlich auch ADHS und Borderline gleichzeitig haben. In der Auswahl der Medikation und in der psychotherapeutischen Behandlungsplanung sollte das natürlich berücksichtigt werden. Eine Tabelle mit Unterscheidungsmerkmalen und Gemeinsamkeiten zwischen ADHS, Borderline und Autismus findet sich ganz unten auf dieser Seite.
Buch
Es gibt viele gute und viele nutzlose Bücher zum Thema ADHS. Ich beschränke mich hier auf die Nützlichen:
Coaching
Coaching ist bei ADHS deutlich verbreiteter als bei anderen psychischen Erkrankungen. Ein Grund hierfür ist sicherlich, dass viele Coachings von Betroffenen selber angeboten werden, die sich oft besser als Psychotherapeut*innen oder Ärzt*innen auskennen. Im Bereich ADHS hat diese Kultur eine Berechtigung, da 40 % der Betroffenen über eine Pharmakotherapie hinaus keine weitere Unterstützung benötigen. Der zentrale Unterschied ist, dass Therapie eine krankheitswertige Störung voraussetzt und Coaching konkrete Lösungsansätze bei definierten Problemen fokussiert. Wichtig ist nur zu unterscheiden, welche Bereiche Ausdruck einer im Hintergrund liegenden Störung sind und welche in den Bereich „Umgang mit Symptomen“ oder „Lifestyle“ fallen. Leider sehe ich in meiner Sprechstunde oft zum Teil lebensgefährdende Fehlbehandlungen insbesondere von Heilpraktiker*innen, die aufgrund von Unkenntnis insbesondere Persönlichkeitsstörungen nicht erkennen. Natürlich gilt dies – wie immer – nicht für alle Heilpraktiker*innen.
CBD
Cannabis ist zur Behandlung von ADHS zugelassen. Insbesondere CBD-Öl wirkt aber kaum über den Placeboeffekt hinaus und ist gemessen an der Wirkung vor allem eines: teuer und schwankend in der Qualität. Nachweislich hat die Hemmung der Gammarezeptoren, auf die das Cannabidiol wirkt, eine beruhigende und angstlösende Wirkung. Die Wirkung ist also ist einer Bremse vergleichbar, während das ADHS aufs Gaspedal tritt. CBD kann also durchaus beruhigende Effekte haben. Im Vergleich zum Gaspedal der ADHS handelt es sich bei CBD allerdings eher um eine Fahrradbremse. Die innere Unruhe bei ADHS entsteht wie folgt: Der Botenstoff Dopamin, der für Belohnung, Motivation, Antrieb und das Erkennen von Zusammenhängen (siehe Text auf Website) ist nicht ausreichend verfügbar. Das Stresshormon Noradrenalin verhindert den Abbau von Dopamin. Deswegen brauchen Leute mit ADHS Stress, um sich konzentrieren zu können. Nur wenn genug Stresshormone ausgeschüttet werden, ist auch genügend Dopamin für Motivation, Antrieb und Konzentration vorhanden. CBD wirkt beruhigend. Allerdings geht die beruhigende Wirkung logischerweise nicht mit einer verbesserten Konzentration einher. CBD-Öl erhöht nicht den Dopaminspiegel, sondern stimuliert die hemmenden Gammarezeptoren. Abgesehen von dem Umstand, dass die Qualität sehr schwankend ist, ist eine Behandlung mit Cannabis oder CBD von allen möglichen Varianten diejenige mit der geringsten Wirkung, da sie die Symptome unterdrückt, das Problem aber nicht löst oder ausgleicht. Bei einer Stimulanzientherapie wird der Dopaminspiegel angehoben. Bei einer Therapie mit Noradrenalinwiederaufnahmehemmern wird der Abbau von Dopamin verhindert. Cannabis behebt das Problem nicht, sondern dämpft die Filterfunktionen. CBD nicht einmal das. Vereinfacht kann man sagen, es ist in etwa die fünftbeste Lösung. Mehr zur Wirkweise von Medikamenten hier.
Diagnose
ADHS ist eine international anerkannte Diagnose der Weltgesundheitsorganisation. Das Störungsbild ist dimensional. Das heißt, dass die Intensität der Ausprägung wie bei einem Mischpultregler den man nach oben schiebt, von „ganz leise bis ganz laut“ möglich ist. Wichtig ist, dass die Diagnose nur gestellt werden darf, wenn Betroffene darunter leiden. Ansonsten kann und soll jeder so sein wie er oder sie ist. Das Stellen einer gesicherten Diagnose erlaubt eine Therapie zulasten der Krankenkassen. Im Falle von ADHS ist es so, dass das Vorliegen der Störung die Lebensdauer im Durchschnitt um 12,5 Jahre verkürzt. Grund hierfür sind vor allem Unfälle durch verminderte Konzentration, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Hochdruckkrankheiten infolge von Dauerstress oder Schädigungen durch Suchterkrankungen (v.a. Alkohol, Cannabis und Kokain).
Diagnostik/ Diagnostizieren
ADHS ist eine von der WHO anerkannte Erkrankung mit klaren diagnostischen Kriterien. Jede dort gelistete Krankheit zeichnet sich durch definierte Symptome, einen bestimmten Verlauf, Einschränkungen und im günstigsten Fall eine definierte Behandlungsmethode aus.
Um ADHS zu diagnostizieren, muss der Nachweis geführt werden, dass die Symptomatik bereits im Kindesalter zwischen 5 und 12 Jahren vorgelegen hat. Wenn dies nicht der Fall ist, handelt es sich nicht um ADHS.
Zur Diagnostik werden Fragebögen eingesetzt, die bestimmte Erlebens- und Verhaltensweisen sowohl in Kindheit, als auch im Erwachsenenalter erheben. Die Fragebogenergebnisse geben dem Diagnostiker Anhaltspunkte für das Vorliegen der Störung. Eine Diagnose darf jedoch nicht anhand eines Fragebogen-Ergebnisses alleine gestellt werden. Es sollte auch die Lebensgeschichte der Betroffenen erhoben werden, um zu verstehen, in welchem Kontext die Antworten zustande gekommen sind.
Beispiel:
Die Aussage „Zimmer und Schreibtisch waren in meiner Kindheit unaufgeräumt!“ zum Beispiel lässt auf ADHS schließen. Wenn der Schreibtisch aber in einer 2-Zimmer-Wohnung stand, in der sieben Leute wohnen, ist es kein Wunder, wenn der Schreibtisch voller Sachen liegt. Genauso erklären sich Leistungsstörungen in der Grundschule auch aus anderen Gründen. Zum Beispiel, wenn ein Mensch erst mit sieben Jahren nach Deutschland kommt, wird er im Alter von 8–10 Probleme in der Schule haben, da er die Sprache nicht spricht.
Es kommt also auf das Gesamtbild an. Dazu gehört auch, dass ADHS eine hohe erbliche Komponente hat und somit die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, mindestens ein weiteres Familienmitlied zu finden, dass ähnliche Symptome zeigt.
Die oft zum Einsatz kommenden Konzentrationstests haben praktisch keine Aussagekraft und sind in den S3-Leitlinien (siehe Leitlinie) zur Behandlung von ADHS auch nicht empfohlen. Der Grund ist, dass ADHS-Betroffene sich durchaus konzentrieren können, wenn sie die Testung als Herausforderung sehen. Zum Teil werden sogar überdurchschnittliche Ergebnisse im weitverbreiteten D2 Test oder dem Continous Performance Test erzielt. Auch eine verminderte Konzentration kann durch andere Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen hervorgerufen sein. Ich selber nutze keine neuropsychologischen Konzentrationstest mehr, da ich in Hunderten von Testungen noch nie einen Mehrwert an Information daraus habe gewinnen können.
Die Diagnose darf in Deutschland von Angehörigen der Berufsgruppen gestellt werden, die eine heilkundliche Zulassung haben. Das sind Ärzte (zumeist Psychiater oder Neurologen und Fachärzte für psychosomatische Medizin) und Psychologische Psychotherapeuten. Formal auch Heilpraktiker.
Dopamin
Dopamin und ADHS hängen zusammen. Die gängigsten Medikamente wie Ritalin, Medikinet, Concerta und Elvanse erhöhen den Dopaminspiegel. Trotzdem stimmt die Aussage nicht, dass ADHS ein Mangel an Dopamin sei. Wenn dem so wäre, müsste es funktionieren, wenn man ADHS-Betroffenen L-Dopamin gibt. Das ist eine Vorstufe des Botenstoffes, die zum Beispiel bei Parkinson verabreicht wird. Leider passiert dann überhaupt nichts. Die wissenschaftlich richtige Antwort wäre also: Die ADHS-Symptomatik verbessert sich, wenn wir das dopaminerge System stimulieren. Das setzt vermutlich Prozesse in Gang, die wir noch nicht verstehen. Trotzdem ist ein Zusammenhang zwischen Dopamin und ADHS naheliegend. Dopamin ist nicht nur der Botenstoff, der für das Belohnungszentrum zuständig ist. (Das erklärt sicher auch, warum ADHS-Betroffene öfter als andere an Süchten erkranken.). Dopamin steuert auch das Erkennen von Zusammenhängen. Insbesondere psychotische Patient*innen oder Schizophrene sehen Zusammenhänge, die nicht existieren. Diese Personen werden mit Medikamenten behandelt, die den Dopaminspiegel senken. ADHS-Betroffene erkennen oft den Zusammenhang nicht. Das könnten wir eine verminderte Konzentration nennen. Genaugenommen müssen wir aber Konzentration von Aufmerksamkeit unterscheiden. Aufmerksamkeit ist die Fähigkeit, den Fokus auf eine Sache zu lenken. Konzentration ist die Fähigkeit, diesen Fokus dort zu halten. Menschen mit ADHS können extrem ausdauernd bei Dingen sein, die sie interessieren. Bei uninteressanten Sachen nicht. Hier spielt vermutlich das Belohnungszentrum eine wichtige Rolle. Dopamin kann aber noch mehr als nur Anreize verstärken und Zusammenhänge sichtbar machen. Dopamin ist auch beteiligt bei der Aktivierung zu Tätigkeiten. ADHS ist geprägt von den Extremen zwischen Antriebslosigkeit und Überaktivität.
Ergotherapie
Ergotherapie kann bei Vorliegen von ADHS zulasten der Krankenkassen verordnet werden. Ein kleiner Anteil der Kosten ist selber zu tragen. Verordnungen können sowohl von hausärztlichen und psychiatrischen Praxen, als auch von Psychotherapeut*innen ausgestellt werden (wobei letztere fast nie wissen, dass sie das dürfen).
Ein Problem ist, dass dieses Hilfsangebot zu wenig genutzt wird, da kaum jemand genau weiß, was Ergotherapeut*innen eigentlich machen. Zumeist werden Ergotherapeut*innen als „Basteltanten“ oder Ähnliches wahrgenommen. In Realität steht hinter dem Beruf jedoch eine komplexe und vielseitige Ausbildung mit medizinischen, handwerklichen, juristischen und psychologischen Anteilen. Ziel der Ergotherapie ist die Unterstützung von Betroffenen darin, wiederkehrende Probleme im Alltag stabil zu bewältigen. Dazu kann auch mal gebastelt werden, wenn etwa das Flechten eines Korbes dazu dient, nach einer Schädigung die Motorik der Finger zu verbessern. Im Fall von ADHS, Trauma, Depressionen und Borderline kann Ergotherapie auch zusätzlich zu einer laufenden psychotherapeutischen oder psychiatrischen Behandlung die Regulation von Emotionen zu verbessern. Speziell bei ADHS Routinen und Handlungsabläufe zur Alltagsbewältigung entwickeln und vor allem aufrechtzuerhalten. Ziel der Ergotherapie ist es, Patient*innen in einer selbstständigen Lebensführung zu unterstützen oder diese (wieder) zu erlangen.
Ernährung
Ernährung spielt für die Kernsymptomatik im Erwachsenenalter keine Rolle. Im Kindes- und Jugendalter kann der Verzicht auf künstliche Farbstoffe bei einzelnen Personen Verbesserungen erzielen. Die Häufigkeit, mit der das geschieht und die Intensität der Verbesserungen ist jedoch nicht so relevant, dass eine Ernährungsumstellung grundsätzlich empfohlen werden kann.
Emotionen
In der Psychologie werden Gefühle eher als Emotionen bezeichnet, um die von Körperempfindungen abzugrenzen. Die Grundemotionen Freude, Angst, Ärger, Trauer, Scham/Schuld, Ekel/Verachtung und die soziale Emotion Überraschung sind natürlich bei allen Menschen gleichermaßen vertreten. So auch bei Betroffenen von ADHS.
Anders als bei den meisten Menschen kommt es aber zu starken Schwankungen in der Emotion. Charakteristisch ist ein schneller Wechsel zwischen den Zuständen. Es gibt einerseits Zustände, in denen alles infrage gestellt wird, Selbstzweifel vorherrschen und die Stimmung depressiv getönt ist. Dieser Zustand kann aber schnell durch einen hypoman getönten Affekt abgelöst werden. Das bedeutet, dass die Stimmung deutlich gehoben ist, das Schlafbedürfnis verringert, viele Projekte gleichzeitig begonnen werden und Betroffene voll von Energie sind und zumeist ein hohes Redebedürfnis zeigen. Der hypomane Zustand ist zudem davon geprägt, dass Betroffene sich schnell langweilen und das Interesse verlieren. Die Emotionen sind also dieselben wie bei anderen Menschen. Die Intensität ist jedoch stärker ausgeprägt und die Zustände wechseln schnell. Insbesondere die Geschwindigkeit der Wechsel ist ein deutlicher Hinweis auf das Vorliegen von ADHS und wird oftmals mit bipolaren Störungen fehldiagnostiziert.
Elvanse
Elvanse ist ein Medikament, das zur Behandlung von ADHS im Erwachsenenalter zugelassen ist. Der Wirkstoff ist Lisdexamfetamin. Chemisch wurde ein Amphetamin mit einer Lysin-Aminosäure kombiniert, die dafür soft, dass der Stoff in die Blutbahn aufgenommen wird. Das Amphetamin wirkt dann so lange, bis es komplett abgebaut ist. Ähnlich wie bei Alkohol. Der Vorteil gegenüber vielen Methylphenidatpräparaten ist, dass es in der Regel keinen Reboundeffekt hervorruft. Der Nachteil ist, dass es in höheren Dosierungen öfter zu Schlafstörungen kommt. Das liegt daran, dass durch die Aufnahme im Blut, die Höhe der Dosis über die Dauer der Wirksamkeit entscheidet. Je höher die Dosis, desto länger die Wirkung.
Frauen – Wie äußert sich ADHS
ADHS bei Frauen ist ein Thema, dass mehr und mehr in den Fokus rückt. Der Grund hierfür ist, dass Frauen und Mädchen in den vergangenen Jahrzehnten diagnostisch noch weniger erkannt wurden als männliche Patienten, da das gesellschaftlich geprägte Bild der Erkrankung als Klischee den Zappelphilipp überbetont. Das ist insofern auch kein Wunder, da dieser deutlich mehr auffällt. Ähnliche Effekte sehen wir beim Borderlinesyndrom. Klassischerweise wird dies mit Ritzen, Piercings und bunten Haaren assoziiert. Diese Erscheinung ist die deutlichste. Hier sind Männer eher unterdiagnostiziert. Insbesondere, wenn sie gesellschaftlich unauffällig sind.
Entscheidend für die Diagnosestellung von Kindheit bis Erwachsenenalter ist das Vorliegen einer äußeren oder inneren Unruhe. Ein gedankliches „nicht zur Ruhe kommen“ fällt naheliegenderweise weniger auf, als ein starker Bewegungsdrang. In vielen Fällen ist dieser aber auch bei Frauen ausgeprägt. Allerdings werden in den meisten Testverfahren die Merkmale Hyperaktivität und Impulsivität auf einer Dimension abgebildet. Die innere und äußere Unruhe ist die Hyperaktivität. Die Impulsivität zeichnet sich durch schnelle Entscheidungen, unüberlegte Handlungen, nicht warten können und übermäßiges Geldausgeben aus. Diese Merkmale – mit Ausnahme des Geldausgebens – sind bei Frauen in der Regel weniger intensiv ausgeprägt. Hier mögen gesellschaftliche Rollenerwartungen ebenso wie Sozialisation, Selbstkonzept und Biologie eine Rolle spielen. Meiner Beobachtung nach findet sich die weibliche Impulsivität eher im Vorliegen von Essstörungen bei gleichzeitigem ADHS. Binge Eating ist ja ebenso eine Impulskontrollstörung wie Bulimie. Fraglich wäre auch, wie viele anorektische ADHS-Patientinnen erst durch einen übermäßigen Bewegungsdrang in die sogenannte Sport-Anorexie hineingeraten.
Die Unterdiagnostik bei Frauen nehme ich auch bei den Testungen in meiner Praxis wahr. Die Mehrzahl derjenigen, die im Erwachsenenalter eine ADHS-Diagnostik aufsuchen, sind Frauen. Fraglich ist allerdings, ob es sich dabei um einen Verzerr-Effekt handelt, da Männer insgesamt deutlich seltener psychotherapeutische Hilfe annehmen.
Frauen – ADHS-Symptome
Bei der weiblichen Ausprägung der ADHS stehen vor allem die Ablenkbarkeit und das Verträumt sein im Vordergrund. Richtiger wäre zu sagen: Die Verträumtheit und Ablenkbarkeit sind die sichtbaren Leitsymptome. Im Durchschnitt ist die Impulsivität niedriger. Die innere Unruhe ist bei genauem Nachfragen oft genauso stark ausgeprägt, wird aber weniger nach außen getragen. Vor diesem Hintergrund bedarf es einen Blick auf das gesamte Syndrom ADHS. Die Erkrankung besteht ja nicht nur aus Aufmerksamkeitsstörungen und innerer und äußerer Unruhe, sondern auch aus den Temperamentsvariablen Irritierbarkeit, Gereiztheit, Impulsivität, Stimmungsschwankungen, Desorganisation und Stressintoleranz.
Frauen ADHS Testung und Testverfahren
Bei allem Herausstellen der Besonderheiten der weiblichen ADHS-Ausprägungen benötigt es keiner anderen Testverfahren. Die gängigen Tests wie die in der Arzneimittelrichtlinie vorgeschriebene Wender-Utah-Ratingscale in der Kurzversion (WURS-K) sowie das DIVA-5 Interview erkennen ADHS auch bei Frauen absolut zuverlässig. Die Einschätzung erfolgt über Punktwerte und die Anzahl erfüllter Kriterien. Während Männer in der WURS-K oftmals Punktwerte oberhalb 40 erzielen, erreichen Frauen zumeist niedrigere Werte oberhalb 30. Profunde Hinweise auf ADHS ergeben sich ab 30 Punkten. Auch ein leichtes Unterschreiten der Werte schließt eine Diagnose nicht aus, da ein einzelner Test nicht zur Diagnosestellung herangezogen werden darf, sondern das Gesamtbild zählt.
Die differenzialdiagnostische Leitfrage sollte also immer lauten: Gibt es andere Erkrankungen, die das Gesamtbild der Symptomatik besser oder zusätzlich erklären?
Fragebogentests bei ADHS
Fragebogentests spielen eine wichtige Rolle in der Diagnostik von ADHS. Sie erlauben, die zunächst unspezifischen Symptome nach Vorliegen, Intensität und subjektiver Belastung zu sortieren. Bei Vorliegen von ADHS stellen sie das Fundament für das therapeutische Vorgehen dar. Über Fragebögen wird etwa das Vorliegen der Symptomatik in der Kindheit strukturiert erfragt, ohne dass eine Diagnosestellung nicht möglich ist.
Fragebögen zu ADHS – Übersicht
FRAGESTELLUNG | NAME DES TESTS |
Vorliegen in der Kindheit | WURS (Wender-Utah-Rating Scale), DIVA-5 Interview |
Vorliegen im Erwachsenalter | DIVA-5, ADHS-SB, Brown ADHS-Skalen |
Probleme in der Lebensführung | CAARS (Conners Skalen in der Selbst- und Fremdbeurteilung) |
Subjektive Belastung durch ADHS | WRI (Wender Reimherr Interview) |
Schnelltests zum Screening auf ADHS-Merkmale | ASRS |
Kostenpflichtig | WURS-K, WRI, ADHS-SB, DIVA-5, |
Frei verfügbar | ASRS und WURS |
Noradrenalin
Der Botenstoff Noradrenalin spielt bei ADHS eine wichtige Rolle, da er den der den Abbau von Dopamin (siehe oben) hemmt. Das bedeutet: Wenn ADHSler richtig Stress haben, können sie zumeist gut konzentrieren. Vorher nicht. Dies schlägt sich in der Berufswahl nieder. Viele Betroffene wählen intuitiv stressige Jobs. wie Rettungssanitäter, Manager, Pflegekräfte, Werbebranche, Gastronomie und Küche, Polizei, Streitkräfte und investigativer Journalismus. Unter ADHS-Betroffenen gibt es deswegen auch eine hohe Anzahl an Selbstständigen.
Der Nachteil dieses Mechanismus ist, dass Betroffene sich verausgaben müssen, um sich entspannt und fokussiert zu fühlen. Auf Dauer führt dies zu Erschöpfungsdepressionen.
Heilbar
ADHS ist genau wie Autismus nicht heilbar. Es handelt sich um eine andere Art der Reizverarbeitung, die biologisch durchaus ihre Berechtigung hat (Jäger und Sammler). Die belastenden Symptome können aber durch eine entsprechende Pharmako- oder Psychotherapie sehr gut behandelt werden. Ziel der zugelassenen Therapie ist es also ADHS zu beherrschen, anstatt von ADHS beherrscht zu werden. Abgesehen davon ist auch nicht jedes ADHS krankheitswertig. Nämlich nur dann, wenn die betroffene Person darunter leidet.
Häufigkeit
Auf die Gesamtbevölkerung gesehen erfüllen ca. drei bis 5 Prozent der Menschen die Kriterien für ADHS. Es handelt sich also um eine neurologische Normvariante der Menschheit. Der amerikanische Journalist Thom Hartmann prägte die „Jäger und Sammler“-Hypothese, nach der ADHS-Betroffene eher die Jäger (oder heutzutage Unternehmer, Soldaten, Rettungsassistenten, Selbstständige etc.) sind und somit einen wichtigen Platz in der Gesellschaft einnehmen.
Zunächst ist anzumerken, dass eine Diagnose nur dann gestellt werden kann und darf, wenn die betroffene Person selber darunter leidet. Die Anzahl der Betroffenen ist deshalb so uneinheitlich, da es international verschiedene Klassifikationssystem gibt. Die amerikanische Diagnostik (DSM-V) ist in Bezug auf ADHS sehr differenziert. Die europäische Diagnostik (ICD-11) kennt bis heute keine eigenen Diagnosekriterien. Seit dem 1. Januar 2022 orientiert sie sich an den amerikanischen Kriterien. Bis 2021 gab es kein einziges eigenes Kriterium, um die Krankheit im Erwachsenenalter zu beschreiben oder zu erfassen. Im Jahr 2003 wurde die Diagnose in der Bundesrepublik erstmals offiziell anerkannt. Bis dahin waren Betroffene – auch mit erheblichem Leidensdruck – in der Nacht zu ihrem 18. Geburtstag gesundet und notwendige Therapien konnten und durften nicht mehr zulasten der Krankenkassen fortgeführt werden. Ärzte und Neurologen, die zum Beispiel eine Pharmakotherapie fortsetzten, taten das dann auf eigenes ärztliches Risiko ohne entsprechenden gesetzlichen Rahmen.
Somit handelt es sich um eine relativ neue Diagnose. Dies begründet sicher auch, warum viele Neurologen, Psychiater und Psychotherapeuten im Rahmen ihrer Facharztausbildungen nie mit der Diagnostik der Störung zu tun hatten. Leider ist dies auch bis heute an vielen Ausbildungsinstituten unverändert.
Gefühle
siehe Emotionen!
Grad der Behinderung
ADHS ist zunächst kein anerkannter Grund für den Grad einer Behinderung, da die Störung, anders als etwa Autismus behandelbar ist. Mithilfe einer Pharmakotherapie können die 7 Dimensionen (Aufmerksamkeitsstörungen, innere und äußere Unruhe, Irritierbarkeit und Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Impulsivität und Desorganisation und Stressintoleranz) verbessert werden oder in vielen Fällen komplett remittieren.
Für den Grad einer Behinderung ist das allgemeine Funktionsniveau entscheidend. Also wie gut insgesamt am gesellschaftlichen Leben teilgenommen werden kann. Dazu zählen Arbeitsfähigkeit, die Fähigkeit sich selber zu versorgen, Alltagsbewältigung und Sozialkontakte. Wenn z. B. infolge einer ADHS-Symptomatik eine dauerhafte, therapieresistente depressive Symptomatik oder Angststörung besteht, kann diese für die Argumentation für einen Grad der Behinderung hinzugezogen werden.
Geld
Ein problematischer Umgang mit Geld bei ADHS verbreiteter als in der Normalbevölkerung. Der Grund hierfür ist, dass der Wesenszug Impulsivität (schnelle unüberlegte Entscheidungen) eine verminderte Hemmung beim Widerstehen ggü. schnellen Belohnungsanreizen bedeutet. Onlineshopping z. B. kann das Belohnungszentrum stimulieren. Zusätzlich kann eine verminderte Konzentration dafür sorgen, Vertragstexte nicht in der Tiefe zu lesen. Die ADHS typische Desorganisation sorgt dann schlussendlich dafür, dass etwa Verträge nicht rechtzeitig gekündigt und Fristen überschritten werden, weil der Briefkasten nicht geöffnet wird.
Globuli
Globuli haben bei ADHS – wie in allen anderen Bereichen des Lebens – keinen MESSBAREN Nutzen, der über den Placeboeffekt hinausgeht.
Gedächtnis
ADHS und Gedächtnis ist ein spannendes Thema. Das Gedächtnis ist nicht ein großes Etwas, sondern besteht aus unterschiedlichen Ebenen:
Dem prozeduralen Gedächtnis: Also wie mache ich etwas (zum Beispiel Zähneputzen)
Dem figuralen Gedächtnis: Das da vorne ist ein Stuhl, obwohl er anders aussieht als meiner Zuhause.
Dem episodischen Gedächtnis: Situationen werden in einem zeitlichen Ablauf mit einem Anfang, einem Verlauf und einem Ende gespeichert. Zum Beispiel der Tag, an dem man zu Hause ausgezogen ist.
Dem Kurzzeitgedächtnis, dem Ultrakurzzeitgedächtnis und dem Langzeitgedächtnis
Dem Arbeitsgedächtnis. Das Arbeitsgedächtnis speichert aufgenommene Informationen kurzfristig, um diese Informationen in das Langzeitgedächtnis aufzunehmen, oder damit zu vergleichen.
Bei ADHS liegen Probleme im Arbeitsgedächtnis vor. Zum Beispiel beim Memoryspielen benötigen wir das Arbeitsgedächtnis, um über einen Zeitraum von etwas unter einer Minute zu behalten, wo die verdeckte Karte lag. Wenn das Arbeitsgedächtnis überlastet wird, kommt es schneller zu Chaos, weil es nicht mehr gelingt alle aufgenommenen Informationen im Blick zu behalten.
Impulsivität
Impulsivität ist eines der Nebenmerkmale bei ADHS, die sich in den Wender-Utah-Kriterien finden. Das bedeutet, dass Impulsivität oft mit ADHS zusammen auftritt, aber kein festes Kriterium ist. Impulsivität äußert sich bei ADHS durch Unterbrechen anderer Menschen, voreilige Entscheidungen aus dem Bauch heraus treffen, oftmals Onlineshopping oder Schwierigkeiten Geld zusammenzuhalten, Ungeduld und nicht warten können, Flüchtigkeitsfehler, anderen ins Wort fallen und chaotischen Arbeitsstil.
Bei ADHS findet sich die Impulsivität beim Hyperaktiv-Impulsiven-Subtyp und beim Mischtyp. Nicht aber beim vorwiegend unaufmerksamen Subtyp.
Eine hohe Impulsivität bei ADHS führt oftmals zur Fehldiagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Das liegt daran, dass beide Störungsbilder gemeinsame Erscheinungsformen teilen: Impulsivität, Stimmungsschwankungen, Risikoverhalten und oftmals Substanzmissbrauch.
Borderliner sind jedoch anders als ADHSler vor allem bei Ärger impulsiv und ansonsten nicht. ADHSler der entsprechenden Subtypen hingegen sind durchgehend impulsiv.
Innere Unruhe
Bei Vorliegen von ADHS ist ein zentrales Merkmal die innere und äußere Unruhe. Insbesondere die innere Unruhe ist nach außen nicht so stark sichtbar wie eine motorische Überaktivität. Das ist unter anderem der Grund, weswegen man lange dachte, dass ADHS sich „rauswächst“. Viele Erwachsene ADHS-Betroffene suchen sich natürlich Jobs in denen man, anders als in der Schule, nicht stundenlang sitzen und zuhören muss. Deswegen fallen sie weniger auf. Was aber bleibt, ist die innere Unruhe. Die Gedanken kommen niemals zur Ruhe. ADHS-Betroffene sind innerlich immer mit irgendetwas beschäftigt. Alternativ surfen sie am Handy im Internet o.ä. Die Unterscheidung zwischen ADS und ADHS beschreibt diesen Umstand recht gut. Mädchen mit ADS fallen deswegen seltener auf, da sie nur gedanklich nicht zur Ruhe kommen. Die innere Unruhe und das Gedankenrasen wird von Psychotherapeut*innen oft fälschlicherweise als Grübeln missverstanden. Depressive Menschen grübeln. Grübeln heißt nachzudenken ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Die Grübelschleifen richten sich immer auf negative Ereignisse in der Zukunft oder in der Vergangenheit. „Weil ich es früher nicht gepackt habe, werde ich im nächsten Job auch scheitern!“ etc. ADHS-Betroffene
Hingegen haben einen fortwährenden Strom unzusammenhängender Gedanken oder freier Assoziationen.
Langeweile
Langeweile ist der Motor von Kreativität. Bei ADHS liegt dieses Gefühl sehr schnell und sehr intensiv vor. Die Folge zeigt sich im Alltag durch Gereiztheit. Betroffenen wechseln überproportional häufig die Hobbys und Interessen. Oft wird für sehr viel Geld Equipment angeschafft. Ab dem Moment, wo die Tätigkeit aber hinreichend beherrscht wird, erzeugt sie Langeweile und es muss etwas Neues her. Dies zeigt sich auch in den häufigen Berufswechseln mit kurzer Verweildauer in Arbeitsverhältnissen. Neben den Kündigungen durch Unzuverlässigkeit und Überforderung ist ein wichtiger Teil dieses Musters durch die Suche nach etwas Neuem erklärbar. Viele ADHSler sind Universalisten, die wenig Erfolge einfahren. Die meisten bleiben lebenslang unterhalb ihrer eigentlichen Fähigkeiten.
Narzissmus
Zunächst gibt es keinen Zusammenhang zwischen ADHS und Narzissmus. Richtig ist aber, dass ADHS-Betroffene durch schwierige Biografien, Mobbing, Misserfolge und mitunter desolate Elternhäuser öfter als andere Menschen an Persönlichkeitsstörungen leiden. Hierzu zählt auch der Narzissmus.
Oftmals wird ADHS-Betroffenen auch in Psychotherapien Narzissmus bescheinigt, ohne die Kernmerkmale der Störung zu beachten. High-Functioning-ADHSler schieben oftmals diverse Projekte gleichzeitig an. Der Grund ist allerdings nicht, um von anderen bewundert zu werden, sondern schlicht, um Langeweile loszuwerden. In diesen Fällen fehlt in aller Regel das Narzissmuskriterium der Abwertung Anderer. Dieses Phänomen konnte man gut bei Donald Trump beobachten. Wer anderer Meinung war, hatte Trumps Meinung nach schlichtweg keine Ahnung und wurde entlassen. Situativ und vor allem unter Stress können ADHSler sich durchaus narzisstisch verhalten und andere durch dumme und unüberlegte Äußerungen schwer kränken. Trotzdem erfüllt dies nicht die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung. Für eine Persönlichkeitsstörung muss das Verhalten unflexibel und situationsübergreifend vorliegen.
Omega-3-Fettsäuren
Nach aktuellem Forschungsstand (Nice 2016/S3-Leitlinien zur Behandlung von ADHS) kann eine vermehrte Gabe von Omega-3 oder Omega-6 Fettsäuren nicht zur Behandlung empfohlen werden, da keine messbaren Effekte auf die Symptomatik zu beobachten sind.
Ordnung
Ordnung ist ein großes (Streit)thema bei ADHS. Eine der sieben Kerndimensionen der ADHS nennt sich Desorganisation. Desorganisiertes Verhalten entsteht in Folge fehlender innerer Strukturierungsfähigkeit. Damit geht die Unfähigkeit einher, zu priorisieren. Menschen, die keine Tatsächlich gibt es aber auch eine Vielzahl von ADHS-Betroffenen mit extrem hoher Pedanterie, Zwanghaftigkeit und hohen Leistungsansprüchen. Das führt dazu, dass bei High-Functioning ADHS trotzdem alle Anforderungen des Alltages gemeistert werden. Der Kraftaufwand ist jedoch ungleich höher. Die Kompensation dieses Mangels kann sich auch in maximaler Zwanghaftigkeit in Bezug auf Ordnung abbilden. In den entsprechenden Wohnungen hat alles seinen (ganz exakten) Platz und es darf nichts auf einer Fläche liegen.
Psychotische Symptome
Hierbei handelt es sich um wahnhafte Phänomene und Sinnestäuschungen wie das Hören von Stimmen, tiefgreifende religiöse Erlebnisse, das Gefühl, dass Andere die eigenen Gedanken lesen können oder eigene Gedanken durch Fremde eingepflanzt wurden. Oftmals werden in psychotischem Zustand Zusammenhänge erkannt, die nicht existieren. Diese Zusammenhänge fühlen sich jedoch glaubhaft und real an. Deswegen reagieren psychotische Menschen oftmals mit starker Angst und dem Gefühl, verfolgt zu werden. Insbesondere dann, wenn sie Freunde auf diese Zusammenhänge hinweisen und diese ihnen nicht glauben. Die Wirkstoffe Methylphenidat und Amphetamine führen bei heftiger Überdosierung vorübergehend zu diesen Phänomenen. Wenn in der Vorgeschichte psychotische Symptome aufgetreten sind, die nicht durch Drogenkonsum oder Überdosierungen verursacht wurden, dürfen diese Stoffgruppen auf keinen Fall verabreicht werden. Dies kommt gelegentlich bei Autismus oder Borderline vor.
Reboundeffekt
Was ist ein Reboundeffekt und wie macht er sich bemerkbar? Ab dem Moment, wo der Wirkstoff Methylphenidat im Gehirn zu Ende verstoffwechselt ist, kommt es zu einem rapiden Abfall des Botenstoffes Dopamin. Reboundeffekte zeigen sich in plötzlich einsetzender Müdigkeit, Schwitzen, plötzlichem Heißhunger, innerer Getriebenheit oder starkem Bewegungsdrang. Der Reboundeffekt hält etwa eine halbe Stunde an. Dann stabilisiert sich der Dopaminspiegel erneut. Reboundeffekte sind bei sorgfältiger medikamentöser Einstellung weitestgehend vermeidbar. Dazu lohnt es sich, mit den Wirkprofilen den einzelnen Medikamenten auseinanderzusetzen
Ritalin
Ritalin ist der Handelsname eines ADHS-Medikamentes mit dem Wirkstoff Methylphenidat. Andere Präparate mit demselben Wirkstoff sind Medikinet, Concerta und viele andere Kopien. Der Wirkstoff Methylpenidat hat chemisch Ähnlichkeit mit Kokain.
Stimulanzien (Aufputschmittel) wie Kokain, Amphetamin oder ebene Methylphenidat haben bei ADHS-Betroffenen eine gegenteilige Wirkung. „Neurotypische Menschen“ reagieren auf die Einnahme der Substanzen mit einem gesteigerten Antrieb, Tatendrang, innerer Unruhe und beschleunigtem Denken. Bei Vorliegen von ADHS ist dies der Normalzustand. Menschen mit ADHS erleben durch die Gabe von Substanzen eine körperliche sowie eine psychische Entspannungsreaktion. Die Muskulatur entspannt sich und die Gedanken kommen zur Ruhe.
Unbehandelt
Unbehandeltes ADHS verkürzt das Leben im Durchschnitt um 12,7 Jahre. Der Grund hierfür sind Hochdruckkrankheiten, Herzinfarkte und Hirnschläge infolge von dauernder Überlastung. Oftmals schwere Unfälle durch verminderte Konzentration und körperliche Schädigungen durch Drogen oder Alkoholkonsum. Die Wahrscheinlichkeit an Depressionen oder einer bipolaren Störung zu erkranken ist bei ADHS dreimal höher als in der Normalbevölkerung, bei Angststörungen um das Fünffache erhöht. Betroffene erleiden zudem viermal häufiger posttraumatische Belastungsstörungen. Die Wahrscheinlichkeit an eine Suchterkrankung zu entwickeln ist verdoppelt du die Erkrankung geht überzufällig häufig mit Persönlichkeitsstörungen einher.
Besonders dramatisch ist dieser Umstand dadurch, dass in den meisten Fällen mehrere psychische Erkrankungen vorliegen, die sich gegenseitig bedingen. Zum Beispiel eine Persönlichkeitsstörung, die durch Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen zur Entwicklung von sozialen Ängsten führt, welche bei starker Ausprägung zu depressiven Symptomen führen.
Vergesslichkeit
Vergesslichkeit ist ein häufiges Phänomen bei ADHS, das durch die herabgesetzte Konzentration und die verminderte Fähigkeit der Aufmerksamkeitssteuerung zu erklären ist. Die Konzentration beschreibt die Dauer der Fähigkeit, die Richtung der Aufmerksamkeit zu lenken. Die verminderte Wahrnehmung, die Schwierigkeiten äußere Reize auszublenden und den eigenen Fokus auf eine Aufgabe zu bündeln.
Vorteile
Vorteile von ADHS sind eine übermäßig ausgeprägte Kreativität, die Fähigkeit in Extremsituationen und Hochstress maximal zu fokussieren, immer neue Ideen zu entwickeln und schnell und spontan reagieren zu können. Betroffene sind oftmals interessante Gesprächspartner, die geistig sehr wendig sind und Zusammenhänge vielmals schneller erfassen als andere Menschen. Die Eigenart oftmals impulsiv zu handeln, kann in Situationen, in denen andere sich nicht entscheiden können von großem Vorteil sein, da „nicht lange gefackelt“ wird. Betroffene zeichnen sich durch eine hohe Spontanität, einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, oftmals auch zum Teil schmerzhafte Ehrlichkeit aus. Oftmals hilft die Eigenschaft, Regeln und Autoritäten grundsätzlich infrage zu stellen, notwendige Änderungsprozesse anzustoßen oder zu beschleunigen.
Verhalten
Bei ADHS im Erwachsenenalter ist das Verhalten oftmals durch Desorganisation und Impulsivität geprägt. Desorganisation äußert sich in Schwierigkeiten Zeitpläne einzuhalten, dem Beginnen von vielen Projekten, die nicht beendet werden, Schwierigkeiten im Nutzen von Kalendern, Unpünktlichkeit und unstrukturiertem Arbeiten. Impulsivität äußert sich durch schnelle unüberlegte Entscheidungen, Probleme im Umgang mit Geld, Ungeduld im Stau oder in Warteschlangen, der Neigung die Sätze anderer zu beenden oder in Wort zu fallen oder dadurch, dass andere Menschen durch unüberlegte Äußerungen gekränkt oder beleidigt werden.
Wer stellt Diagnose
Eine ADHS-Diagnose kann sowohl von Psychiatern als auch von Psychotherapeuten gestellt werden. Hier herrscht oftmals Konfusion, weil alle Berufsgruppen das Wort Psycho im Namen haben und niemand genau weiß wer jetzt zuständig ist.
Grundsätzlich gilt: Wer eine Erlaubnis zur Ausübung von Heilkunde hat, darf in Deutschland eine Diagnose stellen. Dazu zählen Psychotherapeuten, Ärzte und Heilpraktiker. Klingt erstmal übersichtlich. Der Teufel steckt aber im Detail
Psychiater sind Ärzte, die eine Zusatzqualifikation in Psychotherapie haben. Psychiater haben also ein Medizinstudium abgeschlossen und dann etwa 3-5 Jahre zusätzlich die Feinheiten der Behandlung von psychischen Erkrankungen aus schwerpunktmäßig medizinischer Sicht absolviert. Deswegen führen die wenigsten Psychiater Psychotherapien durch, sondern nutzen ihr Wissen zur Behandlung der biologischen Komponenten psychischer Probleme. Im praktischen Alltag durch die Verordnung von Medikamenten. Psychiater haben eine hervorragende Ausbildung im medizinischen Bereich und eine vergleichsweise kleine Fortbildung in der Behandlung psychischer Erkrankungen ohne Medikamente. Deswegen nennt man sie ärztliche Psychotherapeuten.
Psychotherapeuten haben zuerst Psychologie studiert (Master oder Diplom) und dann genau wie die Ärzte eine 3-5-jährige Ausbildung in der Behandlung von Erkrankungen absolviert. Hier liegt der Fokus aber auf den psychologischen Themen und weniger im medizinischen Bereich. Entsprechend haben Psychotherapeuten sehr tiefe Kenntnisse in der Behandlung psychischer Erkrankungen über die zwischenmenschliche Arbeit und einige Grundkenntnisse über biologische Grundlagen. Deswegen nennt man sie psychologische Psychotherapeuten.
Was heißt das im echten Leben?
Beide – also Psychiater und Psychotherapeuten dürfen eine ADHS Diagnose stellen. Die Rahmenbedingungen der täglichen Arbeit spielen dabei eine Rolle:
Ärzt*innen rechnen im 15 Minuten Takt ab. Psychotherapeut*innen in Blöcken von 50 Minuten. Die meisten Diagnostiken werden in ärztlichen Praxen durchgeführt. Das liegt daran, dass die Kernsymptomatik von ADHS ein medizinisches Thema ist.
Psychologische Psychotherapeut*innen:
Hier gibt es alte, dümmliche und unnötige Grabenkämpfe von beiden Seiten. Psychotherapeut*innen fühlen sich oft nicht kompetent in der Testung weil ADHS ein neurologisches Störungsbild ist. Oftmals ist die Testung in der Praxis aber differenzierter als die Ärztliche. Das liegt daran, dass die meisten Praxen entweder gar keine Testung machen oder den IDA-R Kurztest nutzen der vom Hersteller von Medikinet gratis zur Verfügung gestellt wird. Der Test ist darauf ausgelegt schnell zu gehen, bleibt dafür aber in vielen Bereichen an der Oberfläche. Bei Psychotherapeut*innen sind eher die Homburger ADHS-Skalen für das Erwachsenenalter (HASE) verbreitet. Diese Testbatterie ist deutlich differenzierter.
. . . und die Anderen?
Heilpraktiker dürfen auch eine Diagnose stellen. Sie benötigen keine formale Ausbildung, sondern nur den Nachweis, dass sie keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellen. Dazu reicht der Hauptschulabschluss und eine bestandene Überprüfung beim Gesundheitsamt. Es gibt viele sehr engagierte Heilpraktiker in der ADHS-Szene die eine gute Arbeit machen. Naheliegender Weise kann ein Heilpraktiker im Wissen aber nicht mit einer durchschnittlich 12 – 15-jährigen Fachausbildung wie bei ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten.
Psychologen sind Menschen, die Psychologie studiert haben. Das heißt zunächst, wie man Forschung betreibt. Psychologen können entsprechend keine Diagnose stellen, da sie keine heilkundliche Ausbildung haben. Es sei denn, Sie machen die drei bis fünfjährige Ausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten oder einen Heilpraktikerschein. Sie dürfen aber die Tests durchführen. Den Stempel setzen dann oftmals ein niedergelassener Arzt oder Psychotherapeut.
Um es noch ein wenig komplizierter zu machen: Seit 2020 kann man an Universitäten Psychotherapie studieren. Wer einen Master in Psychotherapie gemacht hat, kann in einer Klinik oder einem MVZ psychotherapeutisch arbeiten. Eine eigene Praxis ist aber erst nach der vertieften Ausbildung erlaubt. Was soll das Ganze? Es handelt sich um einen Fortschritt. Wer Psychotherapeut*in werden will, kann dies jetzt direkt studieren anstatt sich vorher durchschnittlich 7-Jahre mit Statistik, Wahrnehmung, gesellschaftlichen Strömungen und der Systematik von Grundlagenforschung zu beschäftigen.
Zeitmanagement
Zeitmanagement stellt durch ein mangelhaftes Zeitgefühl s bei Betroffenen oft ein großes Problem dar. Wegstrecken werden falsch eingeschätzt. Die Dauer von Tätigkeiten unterschätzt – insbesondere, wenn die Person sich im Hyperfokus befindet und nicht aufhören kann. Das insgesamt schlechte Zeitgefühl ist Teil der Dimension Desorganisation aus den diagnostischen Wender-Utah-Kriterien. Dort wird unter anderem die Schwierigkeit beschrieben, Zeit für persönliche Dinge, Partnerschaft, Kinder und Hobbys einzuplanen, die Tendenz, zu viele Dinge auf einmal zu beginnen, das Überschreiten von Fristen und Abgabeterminen sowie die Angewohnheit, zu viel gleichzeitig oder zu wenig effizient zu planen.
Zittern
Zunächst gibt es keinen direkten Zusammenhang zwischen Zittern und ADHS. Wenn jedoch zeitgleich eine Panikstörung vorliegt, kommt es im Rahmen der abfallenden Erregungskurve zu zittrigen Händen und weichen Beinen. Zittrigkeit kann allerdings auch eine Nebenwirkung der Einnahme von Methylphenidat (Medikinet, Ritalin etc.) sein. In den allermeisten Fällen hilft ein Wechsel des Präparates.
Zwangsstörung
Zwischen ADHS und Zwangsstörung gibt es keinen kausalen Zusammenhang. Wir müssen aber Zwangsstörungen von Zwanghaftigkeit unterscheiden. Eine Zwangsstörung zeichnet sich durch Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen aus. Die Handlungen erfüllen oftmals keinen nachvollziehbaren Zweck oder es handelt sich um Kontrollverhalten. Betroffene leiden unter diesen Handlungen, geraten aber unter Anspannung, wenn sie nicht durchführbar sind. Zwangsgedanken sind unerwünschte, aufdrängende Gedanken, die sich das schlimmstmögliche Szenario für die betroffene Person beinhalten. Meistens sind sie sexueller oder aggressiver Natur.
Zwanghaftigkeit hingegen ist ein Wesenszug. Ein netteres Wort für Zwanghaftigkeit ist Gewissenhaftigkeit. Hier gibt es einen Zusammenhang mit ADHS. Viele Betroffene haben pedantische, perfektionistische Persönlichkeitsanteile, die sich in unerreichbaren Standards an die eigene Leistung abbilden. 400% sollten mindestens erreicht werden. Diese Art der Zwanghaftigkeit dient als Ausgleich für das innere Chaos. Sie ist oftmals der Grund, weswegen Diagnosen sehr spät gestellt werden, da die Betroffenen beruflich und schulisch sehr gute Leistungen erbringen. Einzig der getriebene Aufwand ist um ein Vielfaches höher.